BIO BAUER - Karl Thöni

Schweineglückliche Schafsgesellschaft

Der kleine Weiler Wies liegt in Langtaufers – und ist Heimat des Schaf- und Schweinezüchters Karl Thöni. Der Mann, der so gut mit den Schafen kann, ist auch einer, dem eine fast geschlossene Kreislaufwirtschaft am Hof gelingt.

Zwei Dinge verbinden Karl Thöni, eindeutig ein Mann der Berge, mit dem äußersten Nordwesten Deutschlands: Zum einen ist der flache Norden Herkunftsgebiet seiner Ostfriesischen Milchschafe. Zum anderen gilt der dortige Menschenschlag als eher wortkarg. Aber warum auch soll der 58-Jährige viele Worte verlieren, wenn er Zahlen sprechen lassen kann? 50 Ostfriesische Milchschafe am Hof, ein Eber, zwei Säue, rund 40 Ferkel jährlich, zwei unabdingbare Bordercollies namens Milli und Lucky, drei kräftige Norikerpferde und ein Pony, sechs Hektare Grund, drei weitere in Pacht. Und jeden Sommer treibt es ihn in die Berge, wo er Hirte von rund 800 Schafen von neun verschiedenen Bauern ist – und das seit 47 Jahren!

Auch die drei Kinder
Johanna, Simon und Manuel
packen mit an. „Simon habe
ich schon als Baby zum Hüten
mitgenommen“.

Aller Wortkargheit zum Trotz erzählt Karl Thöni von seiner Arbeit, die oft auch die Arbeit seiner Frau Erika ist, und stellt klar: Hier am Hof sei mehr Arbeit als oben bei den Schafen. Wenn er hütet, dann schmeisst seine Frau den Hof. Ab und an wechseln die beiden im Sommer für ein paar Wochen die Jobs. Dann geht Erika auf die Almen in der Schweiz, er wechselt zu den eigenen Schafen und Schweinen am Hof. Doch auch die drei Kinder Johanna, Simon und Manuel packen mit an. „Simon“, sagt Karl Thöni, „habe ich schon als Baby zum Hüten mitgenommen“. Ihn, den Mittleren, der 2003 geboren ist, hat die Leidenschaft für die Landwirtschaft ebenso gepackt. Nach seiner Lehre als Zimmermann kann er sich durchaus vorstellen, in die Fußstapfen der Elten zu treten.

 

Wer einem Hirten oder einer Hirtin bei der Arbeit zusieht, weiß, dass dies kein Job ist, der zum Ausruhen einlädt. „Richt' dir Beien (Bienen) und Schof, leg' di nidr und schlof!“ – jedenfalls ist ein Mythos. Sollte er je einen Funken Wahrheit beinhaltet haben, müsste er sehr lange hersein. Heute erzielt Schaffleisch niedrige Verkaufspreise, selbst die nächste Gerberei ist weit weg – und damit sind nicht einmal Schaffelle eine lukrative Einnahmequelle. Die Wolle geben die Thönis für 1,70 Euro pro Kilo ab, die später zu Filz verarbeitet wird. Nur im Halten von Milchschafen liegt Potential. Doch es steht nicht nur tägliches Melken an. Der Stall muss jeden Tag ausgemistet werden: „Wer melken will, muss seine Tiere sauber halten“. Bei Karl und Erika Thöni ist eines klar: Wohin sie auch gehen, ob in den Stall oder auf den Berg: Ausruhen? Gibt’s nicht!

„Ich kann mit jedem Vieh.
Aber die Schafe sind so friedfertig und zutraulich.
Sie passen mir einfach“.

Warum er nach 20 Jahren Hüten in Langtaufers in die Schweiz wechselte, liegt für ihn klar auf der Hand: „Die Bezahlung ist besser. Die ganze Arbeit rund um die Alm ist extrem gut organisiert. Und du bist den ganzen Tag über bei den Schafen“. Seit sieben Jahren ist er Hirte oberhalb von Ftan im Unteren Engadin, mit der Beweidung und Betreuung der rund 800 Schafe habe es noch nie Probleme gegeben. Tiere habe er gern, erklärt er: „Ich kann mit jedem Vieh. Ich habe viel probiert. Aber die Schafe sind so friedfertig und zutraulich. Sie passen mir einfach“.

„Auf der Weide ist er unmöglich,
da rennt er schon mal
einen Menschen um“

Während seiner vier Jahrzehnte als Hirte war Karl Thöni auch auf Almen, die Milchschafe hatten – so konnte er das Melken der Paarhufer lernen. Aber Milchschafe am eigenen Hof waren eine Neuerung. Zum einen sei er überzeugt gewesen, erklärt Thöni, biologisch produzierte Schafsmilch herzustellen, aber es gab einen weiteren, konkreten Grund: Im Langtauferertal gab es bereits die Käserei Gamsegghof. Und sie war schon seit den Nullerjahren biologisch zertifiziert. Da war es nur logisch, 2005 den eigenen Betrieb umzustellen. Seit dieser Zeit liefert er dem Gamsegghof zweimal wöchentlich die Milch seiner Schafe; daraus macht die Käserei einen äußerst schmackhaften Schofskas. Der Bock seiner Ostfriesischen Schafe ist jedoch ein eigenwilliges Tier: Er beschützt seine Herde so gut, dass auch Karl Thöni ab und an mehr als einen Stupser abbekommt: „Auf der Weide ist er unmöglich, da rennt er schon mal einen Menschen um“. Die Rasse selbst ist im Fachjargon für mehrere Qualitäten bekannt: Sie gilt als frohwüchsig, frühreif und fruchtbar, Thöni schätzt die Tiere zudem, weil sie robust und widerstandsfähig sind.

 

Karl Thöni bezieht übrigens selbst Rohmaterialien von der Käserei der Hoheneggers: Die Molke vom Gamsegghof fließt eben nicht im wahrsten Sinne des Wortes den Bach hinunter, sondern landet dort, wo sie mundet und gleichermaßen wertvolle Nährstoffe liefert: Bei den Schweinen von Karl Thöni. Schweine für den eigenen Gebrauch hatten die Thönis immer schon. Aber das Fleisch verkaufen? Eigentlich eher nein, dachte sich der Bauer, hatte aber nicht mit Friedrich Steiner, immer auf der Suche nach einheimischen Produzenten, gerechnet. „Die Molke bekommst du vom Gamsegghof“, verkündete er fröhlich, „sie macht das Schweinefleisch noch zarter und du hast wertvolle Nährstoffe für die Schweine. Täglich“.

Jede Wurst, die Friedrich Steiner
selbst herstellt, stammt aus
dem Fleisch der Schweine aus Wies.

Heute ist das Biohotel einer der zuverlässigsten Abnehmer von Karl Thöni's Schweinen. Im Sommer gibt es für sie täglich frisches Gras, im Winter Heublumen; also das, was von der Fütterung mit Heu wegfällt. Thöni ist von der Qualität überzeugt: „Es ist ein tolles Fleisch. Die Tiere kommen zweimal die Woche aus dem Stall, toben auf der Wiese, können ganzjährig raus. Sie wachsen langsam und haben viel Bewegung, das alles macht die Qualität aus“. Jede Wurst, die Friedrich Steiner selbst herstellt, stammt aus dem Fleisch der Schweine aus Wies. „Speck und Kaminwurzen beispielsweise“, sagt der Hotelier und muss herzhaft lachen: „manchmal sogar Frankfurter Würstchen“.

Anstelle Verträge: Handfeste
Abmachungen, auf die man
sich verlassen kann

Die Haltung am Hof macht auch die Lebensqualität der Schweine aus, die mittlerweile eine Mischung aus Durocschweinen und Schwäbisch-Hellischen Landschweinen sind. Auch wenn das Leben eines Ferkels nicht wirklich lang ist, auch hier zählt das Motto: „Ein schönes Leben vor dem Tod“. „Früher haben wir die männlichen Ferkel nicht kastriert“, sagt Thöni, „aber das funktionierte nicht wirklich. Sie blieben einfach zu dünn“. Heute kommt der Tierazt, kastriert sie – unter Narkose. Geschlachtet werden sie dennoch ein paar Monate später. Dass auch die Biobranche Preise drückt, ärgert Friedrich Steiner, „da ist sie kaum besser als die konventionelle“. Er könne Bioschweinefleisch aus Deutschland für unter vier Euro das Kilo beziehen. Kein Wunder, dass Produzent und Abnehmer ein gutes Verhältnis haben: Für das gute Fleisch von Karl Thöni zahlt der Malser Hotelier knapp das Doppelte. Und wo andernorts Verträge gemacht werden, setzen die beiden auf gegenseitige Abmachungen: etwa all drei Wochen wird die Anzahl der Ferkel, die für das Biohotel geschlachtet werden, ausgemacht.

„Sie mögen's
bodennah und saftig“

Besonders zartes Fleisch auf dem Teller bedeutet auch, junges Leben zu nehmen. Doch ohne Tiere geht es im Langtauferertal nicht: Gemüseanbau ist in dieser Höhe nicht rentabel. Und wie seine Tiere mit dem Grund umgehen sollen, weiß Karl Thöni genau. Seine prächtigen Norikerpferde nehmen das, was die heiklen Schafe nicht mehr mögen: Mageres Gras, stachelige Pflanzen, verdörrte Halme. „Und für die Noriker“, sagt Thöni, „ist das fette Gras nicht gut, die Schafe jedoch mögen's bodennah und saftig. So sind die Wiesen direkt hinter dem Haus optimal ausgenutzt“. Seine Noriker Diana, Fiaba und Pippo sind übrigens Wintersportler. Sie werden für Schlittenfahrten bis zur Melager Alm, hinein in den einzigartigen Talabschluss zu Füßen der Weißkugel, eingespannt. Außer dem zusätzlichen Kraftfutter, dem Salz für die Schafe oder dem Stroh für die Ställe kaufen die Thönis nichts dazu. Das bedeutet auch, so gut wie es geht, nur eigenes Heu zu verwenden. Wenn es nicht ausreicht, müssen manchmal ein paar Schafe und Schweine mehr geschlachtet werden. „Das ist eigentlich billiger als Heu zu kaufen“, sagt Karl Thöni. Doch was tun bei einem wirklich schlechten Sommer? Dann bleibt doch keine andere Wahl als der teure Zukauf von außerhalb.

 

Inmitten einer spektakulär schönen Kulturlandschaft, die vor allem von den Tieren der Viehbauern gepflegt wird, inmitten eines Tales, dessen einer der Übergänge ins Schnalstal führt, inmitten seiner eigenen Schafherde steht er da, der Karl Thöni. Er und die Schafe, sie kennen sich, er kennt jedes einzelne seiner Tiere. Und wer die Gemälde von Giovanni Segantini kennt, jenem begnadeten im Trentinischen Arco geborenen Maler des 19. Jahrhunderts, der Schafe malte wie kein zweiter, dem wird klar: Er hätte auch Karl Thöni gemalt. Ganz er selbst, inmitten seiner Herde.